Samstag, 6. März 2010

Buchtipp Die Entdeckung der Nachhaltigkeit

Ulrich Grober: "Die Entdeckung der Nachhaltigkeit". Kunstmann Verlag
Von Rainer Kühn
Ulrich Grober hat eine Kulturgeschichte des Begriffes der Nachhaltigkeit geschrieben. Darin kommt er zu dem Schluss, dass der nachhaltige Umgang mit der Natur keiner Generation, keiner historischen Epochen und keinem bestimmten Menschenschlag zuzuordnen ist, sondern das es so etwas ist, wie eine anthropologische Konstante.

Ist es womöglich eine angeborene Fähigkeit des Menschen, nachhaltig mit der Natur umzugehen? Das fragt sich Ulrich Grober gleich zu Beginn seines Buches. Falls ja, dann müsste die Idee, mit der Umwelt pfleglich, behutsam und vor allem vorausschauend umzugehen, die menschliche Gattung seit Anbeginn begleitet haben. Also ganz so, wie es der Philosoph Hans Blumenberg geschildert hat in seiner "Arbeit am Mythos". Danach hat dieses vorausschauende Handeln den Homo sapiens mindestens einmal vor dem Aussterben bewahrt: Aus der nördlichen Hemisphäre verdrängt und nur noch in einem winzigen Streifen im Süden Afrikas ums Überleben kämpfend, begannen unsere Vorfahren damit, Wasser in geleerte Straußeneier zu füllen und diese dann zu vergraben - als Vorsorge für die Zukunft. Der Begriff "Nachhaltigkeit" ist allerdings erst 1713 geprägt worden. Von Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz. Damals wurde im sächsischen Bergbau das Holz knapp, das für den Verbau der Schächte benötigt wurde. Carlowitz reformierte die Forstwirtschaft, machte sie - "nachhaltig":

"Nachhaltigkeit ist vor allem, eine Balance von Selbstsorge und Vorsorge in der Gesellschaft zu etablieren. Und diese Balance, die hat sich in unserer Kultur - und auch in den Kulturen der Welt - immer jeweils anders ausgeprägt. Und das ist, denke ich, eine immanente kulturelle Angelegenheit. Und von daher eben mein Zugang über die Kulturgeschichte zu dem, was die Kernsubstanz von Nachhaltigkeit ausmacht," sagt Ulrich Grober. Der 1949 geborene Autor hat im doppelten Sinn des Wortes weite Wege zurückgelegt, um die Idee der Nachhaltigkeit zu verfolgen: Einerseits spannt er zeitlich einen weiten Bogen: Von Franz von Assisi über die mittelalterliche Theologie, die Frühaufklärung, die ausführlich - vielleicht sogar: zu ausführlich - dargestellte Entwicklung der Forstwirtschaft bis hin zu den Klimagipfeln unserer Tage ist er den Spuren nachgegangen, die der Begriff in Bibliotheken und Archiven hinterlassen hat.

Dieses Buch will auf dem Weg über die Sprache und die Begriffsgeschichte zur Klärung und Sensibilisierung beitragen. Es erzählt davon, wie sich in langen Zeiträumen intuitives Vorsorgedenken zu einem Begriff kristallisierte. Wie unter dessen Schirm ein Wortfeld entstand, auf dem sich alltäglich gewordene Vokabeln wie Ökologie, Umwelt, Lebensqualität und sogar Management herausbildeten. Es handelt vom langsamen Wachsen einer Idee und von der komplexen Beziehung zu den Lebenswelten, in denen sie sich entwickelte.

Andererseits hat der passionierte Wanderer Ulrich Grober auch zu Fuß weite Wege zurückgelegt, um dem Begriff der Nachhaltigkeit auf die Spur zu kommen. So liefert er dem Leser Reportagen aus Assisi, Weimar oder Venedig und versucht, geradezu sinnlich nachvollziehbar zu machen, was einzelne Aspekte der Chiffre Nachhaltigkeit bedeuten. So beispielsweise, wenn er von den enormen Anstrengungen der italienischen Lagunenstadt erzählt, die notwendig waren, um den gewaltigen Bedarf an Holz nachhaltig zu decken. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/1135662/

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